Markus Pohle: Wer zahlt die Krise?
Wenn Sie unter 6.500€ brutto verdienen und uns nicht wählen, sind Sie selber schuld!
Ein Beitrag von Markus Pohle, Direktkandidat DIE LINKE im WK 155 (Landkreis Meißen).
In unserer Gesellschaft werden Güter und Einkommen hauptsächlich durch das Instrument des Marktes verteilt. Dafür muss der Staat notwendigerweise Rahmenbedingungen setzten. Märkte haben keine Moral. Wo also die Ergebnisse der Verteilung von Einkommen und Gütern durch Märkte Ergebnisse produzieren, die wir als Gesellschaft ablehnen, weil sie durch Marktmacht, Lobbyarbeit oder fehlende Verhandlungsmacht von Arbeiterinnen und Arbeitern oder, wie jetzt gerade, durch den externen Schock einer Pandemie zustande gekommen sind, müssen wir politisch gegensteuern. Zudem stehen wir aufgrund von Digitalisierung und Klimawandel ökonomisch vor der größten Transformation der letzten Jahrzehnte.
Um Gesellschaft in Zukunft gestalten zu können brauchen wir einen finanziell handlungsfähigen Staat. Das zentrale Werkzeug dafür sind Steuern- sie sind die Basis dafür, dass in den anonymen Markt demokratisch eingegriffen werden kann. Wir haben in der Bankenkrise 2008 und auch jetzt in der Coronakrise gesehen, wie schnell Steuergelder, die nach der derzeitigen Einkommensteuerregelung vor allem von mittleren Einkommen getragen werden, zockenden Banken und Unternehmen hinterhergeworfen werden. Es kann nicht angehen, das sich Unternehmen wie Daimler auf der einen Seite in Form von 700 Millionen Euro Kurzarbeitergeld die Löhne querfinanzieren lassen und andererseits 50% höhere Unternehmensgewinne einfahren. Und als kleines Sahnebonbon werden dann 1,4 Milliarden Dividenden an Aktionäre ausgezahlt. Wenn Lockdown für die Menschen ist, muss auch Lockdown für Dividenden gelten!
Wir als LINKE treten für eine gerechte Lastenverteilung sowohl der Krisenkosten als auch der Kosten für einen sozial-ökologischen Umbau ein- Damit an Meißner Hängen auch in 20 Jahren noch Wein wächst, und damit sich den alle leisten können. Dabei geht es uns nicht darum, durch harte Arbeit erreichten, bescheidenen Wohlstand zu versilbern. Es geht darum, Überfluss zu besteuern. So können kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, die ihr “mehr Netto vom Brutto” beim Handwerker im Ort, Im kleinen Elektronik-Fachgeschäft, im Tante-Emma Laden oder für gute Lebensmittel beim Bauern lassen, statt es auf die Cayman Islands zu schaufeln oder in die zehnte Immobilie zu investieren und die Mieten in die Höhe zu treiben. Dafür braucht es im wesentlichen drei Schritte:
- Auf lange Sicht und unabhängig von unseren krisengeschüttelten Zeiten brauchen wir eine Einkommenssteuerreform. Starke Schultern müssen mehr tragen, als sie das gegenwärtig tun. Der Grundfreibetrag muss auf 12.600 Euro angehoben werden: Alle zu versteuernden Einkommen unter 12.600 Euro im Jahr bleiben steuerfrei. Das bedeutet, dass Beschäftigte bis zu einem Bruttolohn von etwa 1.400 Euro im Monat keine Lohnsteuer zahlen müssen. Ab da steigt der Steuersatz linear bis zum Spitzensteuersatz von 53% an. Dafür muss der Spitzensteuersatz wie zu Kohls Zeiten, die unter Historikern nicht als linke Utopie verschrien sind, von jetzt 42% auf 53% ab 70.000 Euro Jahreseinkommen angehoben werden. Letztlich müssen Superreiche mit sehr hohen Einkommen einen zusätzlichen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Deßhalb soll für diese Einkommen ein gesonderter Spitzensteuersatz gelten: 60% ab rund 260.000 Euro, 75% auf Einkommen oberhalb von 1 Million Euro.Als Faustregel gilt: Wer (als Single, Steuerklasse I) weniger als 6.500 Euro im Monat brutto hat, zahlt nach unserem Tarif weniger Steuern, wer mehr verdient, zahlt mehr Steuern.
- Um mittelfristig die Kosten für einen sozial-ökologischen Umbau zu stemmen, und zu verhindern, das bei einer Rückkehr zur schwarzen Null Länder und Kommunen noch stärker belastet werden, fordern wir eine auf 20 Jahre abzuzahlende einmalige Vermögensabgabe. So könnte der Bund beim Investitionstau in den Kommunen und Ländern Abhilfe im Umfang von etwa 310 Milliarden schaffen. Unser vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung durchgerechnetes Modell würde die oberen 0,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mit einem privaten Nettovermögen (Vermögen abzüglich Verbindlichkeiten) von zwei Millionen Euro bzw. fünf Millionen Euro bei Betriebsvermögen mit einer einmaligen Abgabe belasten. Die Abgabe soll linear progressiv auf 30 Prozent ab 100 Millionen Euro ansteigen. Auch diese Maßnahme zur Sicherung staatlicher Handlungsfähigkeit und gerechter Verteilung ist keine linke Utopie, sondern hat ihr Vorbild im (deutlich weniger moderaten) Lastenausgleichsgesetz der BRD von 1952.
- Kurzfristig brauchen wir eine Übergewinnsteuer für die Unternehmen, die von der Marktverzerrung in der Coronakrise profitiert haben. Das heisst, dass Gewinne, die die durchschnittliche Gewinnrate dieses Unternehmens in der Krise maßgeblich übersteigen, besteuert werden. Das sind zum einen die Digitalriesen wie Amazon (2020 +84% Jahresgewinn im Vergleich zum Vorjahr), Microsoft (Gewinnzuwachs im 4. Quartal zum Vorjahreszeitraum: 33%) und Facebook (Gewinnzuwachs im 4. Quartal zum Vorjahreszeitraum: +53%) aber auch Supermarktketten wie ALDI, LIDL, die REWE Group oder IKEA. Kleine und mittelständische Unternehmen, die an der Krise zu leiden hatten, müssen endlich ausreichend untersützt werden. Daraus, dass wir, um uns gegenseitig zu schützen, nicht in die Läden, Gastronomien und Kulturstätten gehen konnten und können, darf kein Profit geschlagen werden. Krisengewinne zu besteuern, damit besagte Firmen nicht über die Krise ihre Marktmacht weiter ausbauen und den Einzelhandel verdrängen, ist übrigens wieder keine linke Utopie, sondern bereits beschlossene Sache in den USA, Italien, Frankreich und Kanada. In Großbritannien wird es gerade verhandelt. Wir sehen hier in Deutschland dringenden Nachholbedarf.
Warum ich in jedem Absatz betont habe, dass diese Vorschläge keine linken Utopien sind? Weil sie pragmatisch und lösungsorientiert sind. Weil gerechte Verteilung und eine für alle funktionierende Wirtschaft die Grundlage jeder demokratischen Gesellschaft sind. Links sind diese Vorschläge, utopisch sind sie nicht. Es geht darum, Märkte zu nutzen, wenn sie funktionieren, sie aber vehement zu begrenzen und zu regulieren, wenn sie das nicht tun. Wirtschaftspolitik ist kein Selbstzweck, sondern muss die Basis schaffen für ein besseres Leben für alle. Der politische Raum, in dem wir alle miteinander aushandeln können, wie wir in Zukunft leben wollen, kann erst dann entstehen, wenn niemand mehr zu überlegen braucht, ob das Geld am Monatsende noch für ein Stück Butter reicht.