Teil 1: Moderner Staat und digitaler Aufbruch
Die Ampel-Koalition wirft ihre Schatten voraus. Das Sondierungspapier ist veröffentlicht. Wir wollen unseren Meißner Blickwinkel auf die Teilgebiete der Sondierungsergebnisse werfen. Heute: Teil 1 Moderner Staat und digitaler Aufbruch.
Ich hatte bereits ahnen können, dass sich durch die Abhängigkeit von einer FDP-Beteiligung an der Regierung viele soziale Aspekte, die im Programm der SPD durchaus enthalten waren, nicht umsetzen lassen würden. Nun kam das Sondierungspapier der drei Parteien ans Tageslicht und ich fühle mich bestätigt. Welche Auswirkungen diese Gespräche nun auf den Landkreis Meißen haben könnten, würde ich in dieser 10-teiligen Reihe gern darstellen.
Teil 1: Moderner Staat und Digitaler Aufbruch
Im Sondierungspapier steht: Um Deutschland zügig zu modernisieren sind schnelle Verwaltungs‑, Planungs- und Genehmigungsverfahren zentrale Voraussetzung.
Da stimme ich zu. Wenn ich bedenke, wie lang es dauert, bis Schulen saniert werden können und wie viele Hürden es gibt, dann ist die angedachte Halbierung der Verfahrensdauer durchaus begrüßenswert. Doch wie das geschafft werden soll, davon steht nichts im Papier.
Im Sondierungspapier steht: Den Gigabit-Ausbau treiben wir engagiert voran.
Dieses Ziel schreibt seit Jahren jede Bundesregierung in Koalitionsverträge. Doch wie ist der Stand der Umsetzung? Im Landkreis befinden sich einige Kommunen noch in der Ausschreibung zum Ausbau einer ausreichenden Breitbandversorgung. In den Gemeinden Diera-Zehren, Ebersbach, Glaubitz, Gröditz, Großenhain, Klipphausen, Lampertswalde, das von einer FDP-Bürgermeisterin geführte Lommatzsch, Meißen, Niederau, Nossen, Nünchritz, Priestewitz, Riesa, Röderaue, Schönfeld, Stauchitz, Strehla, Thiendorf, Wülknitz und Zeithain also fast im kompletten Landkreis gibt es noch sogenannte Weiße Flecken mit einer Breitbandversorgung von unter 30mbit/Sekunde. Einzig die Gemeinden Coswig, Hirschstein, Käbschütztal, Moritzburg, Radebeul, Radeburg und Weinböhla kommen ohne weiße Flecken aus. Das ist jedoch immer noch weit entfernt vom Gigabit-Ausbau. (Quelle: Breitbandausbau Kreis Meißen)
Es zeigt sich: Schnelles Internet ist eine Frage der Definition. Wie sich Industrie, die auf Gigabit-Netzen basiert, in den fraglichen Gemeinden ansiedeln soll? Das steht nicht im Papier.
Im Sondierungspapier steht: Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, braucht es Klarheit bei den Aufgaben und der Finanzierung (Anm. im Föderalismus). Wir streben eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen an.
Das hört man doch gern. Die Gemeinde Käbschütztal kämpft seit Jahren ums Überleben und mit einem Schuldenberg, der es ihnen nicht einmal ermöglicht, all ihren Pflichtaufgaben als Gemeinde nachzukommen. Daran trägt das Sächsische Finanzausgleichsgesetz die Hauptschuld, nach dem Gemeinden eine Kopfpauschale pro Einwohner*in zusteht. Da das Käbschütztal jedoch ein sehr niedriges Bevölkerungsvolumen vorweist, allerdings eine sehr große Fläche mit vielen Straßen und Brücken, die Instand gehalten werden müssen, ist die Finanzierung bei weitem nicht ausreichend. Nun muss die Gemeinde sogar kommunale Wohnhäuser verkaufen und eine weitere Einkommenssäule bricht weg. (siehe: PM von MdL Anna Gorskih und MdL Juliane Nagel) Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag fordert daher immer noch, dass Kommunen nicht länger am Gängelband hängen dürfen.(DIE ZEIT, 13.10.2021)
Wie und bis wann eine solche Verbesserung der Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommune angestrebt wird? Davon steht nichts im Papier.
Im Sondierungspapier steht: Gerade in den ländlichen Räumen gilt es, die Daseinsvorsorge zu stärken. Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Alltag in ihrer Region gut leben können von der Arbeit übers schnelle Internet bis hin zu guten Verkehrsanbindungen, vom Einkaufen über den Arztbesuch bis hin zum Sport.
Auch das hört man gern. Auch wir fordern eine gute Daseinsvorsorge gerade im ländlichen Raum. SPD und Grüne haben in Sachsen bereits die Möglichkeit, für jedes Dorf Tante-Emma-Läden zu fördern, wie von uns zur Landtagswahl 2019 gefordert und bundesweit wahrgenommen. (Süddeutsche Zeitung, 08.08.2019) Ganz aktuell auch hier: Linke pochen auf staatliche Unterstützung für Dorfläden.(DIE ZEIT, 18.10.2021)
Passiert ist bisher nichts. Liegt’s am sächsischen Koalitionspartner CDU?
Auch die Elblandkliniken sind ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Ihre Bemühungen, gerade im ländlichen Raum mehr Polikliniken zu errichten auch wenn sie es selbst Medizinisches Versorgungszentrum nennen sind löblich, allein der rechtliche Rahmen ist aktuell nicht gegeben. Hier braucht es Erleichterungen, denn mit einem Mangel an medizinischem Fachpersonal, gerade im ländlichen Raum, können wir nicht damit rechnen, weiterhin in jeder kleinen Gemeinde einen Arzt oder eine Ärztin zu haben. So weit darf es nicht kommen. Deshalb muss jetzt gehandelt werden!
Wie diese gute Daseinsvorsorge im ländlichen Raum abgesichert und gefördert werden soll? Davon steht nichts im Papier.
Im Sondierungspapier steht: Viele Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland haben im Wandel Erfahrungen gesammelt, die auch mit Brüchen und Enttäuschungen verbunden waren.
Hier wird offensichtlich, wie unbedarft weiterhin mit dem Osten umgegangen wird. Viele Bürger*innen Ostdeutschlands haben nicht nur während der Wende Brüche und Enttäuschungen erleben müssen, sondern tun dies auch weiterhin, beispielsweise dann, wenn Standorte großer Unternehmen in ostdeutschen Städten und Gemeinden ersatzlos geschlossen werden. In Sachsen haben wir das beim Haribo-Werk in Wilkau-Haßlau (LK Zwickau) erlebt. Auch MAN in Plauen wäre fast betroffen gewesen. Ostdeutschland ist zu großen Teilen von Entscheidungen in Firmensitzen im Ausland oder den alten Bundesländern abhängig. Die Gründe dafür liegen in der Nachwendezeit, als man Ostdeutschen scheinbar nicht zutraute, Unternehmen selbst zu führen und erfolgreich zu machen. Mit den Nachwirkungen kämpfen wir bis heute.
Die Formulierung ist viel zu schwach und zu kurz gedacht. Ostdeutsche sind durch die Wende nicht auch mit Brüchen und Enttäuschungen in Berührung gekommen, sondern fast nur. Uns sie tun es immer noch.
Auf welche Weise das Selbstbewusstsein Ostdeutschlands wieder gestärkt werden soll? Davon steht nichts im Papier.
Im Sondierungspapier steht: Wir werden […] das Parlament als Ort der Debatte und Gesetzgebung stärken. Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern.
Das Parlament als Ort der Debatte und Entscheidungsfindung ist nach Wahrnehmung vieler lediglich ein politisches Schautheater. Beschlüsse werden nicht im Parlament diskutiert. In Bundestagssitzungen werden lediglich Reden gehalten und der eigene Standpunkt dargelegt. Vorschläge, wie Parteien verschiedener Standpunkte zu einem gemeinsamen Nenner kommen, werden dort bereits lang nicht mehr unterbreitet.
Vier Jahre Koalition bedeutet, dass die Regierung dafür und die Opposition dagegen stimmt. Bei von der Opposition eingebrachten Anträgen wäre es anders herum.
Wie man auf diese Weise das Parlament als Ort der Debatte und Entscheidungsfindung verbessern will? Davon steht nichts im Papier.