Zum Tod von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg
Heute gedenken wir den von rechten Freikorps ermordeten Opfern der Niederschlagung der Berliner Märzkämpfe, im besonderen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Nach dem Abdanken des Kaisers und dem Ringen um die Ausgestaltung der demokratischen Verhasstheit der neuen Republik in Folge der Novemberrevolution waren beide damit befasst, in einem strukturkonservativen Land die politischen Verhältnisse nicht nur kosmetisch und im Einvernehmen mit den Herrschenden zu verändern, sondern durch Räte, Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und die Demokratisierung des Militärs auch die strukturellen und ökonomischen Begebenheiten derart zu verändern, das ein demokratischer, sozialistischer Neuanfang möglich würde. Es waren rechte Sozialdemokaten wie Gustav Noske, die unser heutiger Wirtschaftsminister als beeindruckende Persönlichkeit tituliert, die im Pakt mit rechten Freikorps die Niederschlagung der selbstorganisierten Arbeiterräte und Aufstände in Berlin und dem restlichen Staatsgebiet niederschlagen ließen. Groß war die Angst der Bürgerlichen und der Rechtssozialdemokraten vor Verhältnissen wie sie in Folge der gewaltsamen Machtergreifung Lenins in der Sowjetunion vorherrschten Obwohl es gerade Figuren wie Luxemburg waren, die eine Diktatur der Bolschewiki, welche es mit der Errichtung der Hölle in kürzester Zeit recht weit gebracht hatten, rigoros ablehnte, ohne dabei von ihren Forderungen nach einer revolutionären Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse durch kollektives Handeln der Arbeiter abzurücken- das Ergebnis war ein Bruch innerhalb der Arbeiterbewegung, an dem die Weimarer Republik ihre ganze Existenz lang politisch krankte. Es sollte uns in diesem Gedenken jedoch nicht ausschließlich darum gehen, wie diese beiden zu Tode kamen, sondern darum, wie sie gelebt haben. Und es sollte in der Beschreibung ihres Lebens nicht nur um die Stationen und Taten desselben gehen, sondern auch um die Frage, mit welcher Haltung sie ihr Leben bestritten haben. Die Qualitäten der beiden von den Wirren ihrer Zeit in die gleiche Welle geworfenen hätten unterschiedlicher nicht sein können.
„Selbstkritik, rücksichtslose, grausame, bis auf den Grund der Dinge gehende Selbstkritik ist Lebensluft und Lebenslicht der proletarischen Bewegung.“ Rosa Luxemburg
Rosa Luxemburg war nicht nur ein leuchtendes Beispiel engagierter politischer Arbeit und Bildung, sondern war selbiges auch in ihrer theoretischen Arbeit, in der sie idealtypisch für Arendt’s geflügeltes Wort vom „Denken ohne Geländer“ steht ihre Doktorarbeit zur Industrialisierung Polens, ihre Imperialismustheorie, die Schriften zur Organisationsstruktur der Arbeiterbewegung standen jeweils in deutlichem Kontrast zur auch innerhalb der Arbeiterbewegung beherrschenden Meinung, wieder und wieder verteidigte sie, die in eine jüdische Familie in Kongresspolen geborene junge Frau, die aus ihrer Heimat fliehen musste, ihre Analysen gegen die vielen kleinen und großen und vor allem männlichen und nicht selten auch antisemitischen Arbeiterkaiser ihrer Zeit. Der Grundtenor dieser Arbeiten ist gut zusammengefasst im dem vorangestellten Zitat. Nie war diese theoretische Arbeit ein Selbstzweck ein Blick in ihr vor wenigen Jahren als Buch aufgelegtes Herbarium oder ihre persönlichen Briefe zeigt eine zuweilen markerschütternde Empfindsamkeit, einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik und einen unbeugsamen Willen nach einer Welt, in der das Schöne und das Gute für alle Menschen Realität statt Sehnsucht ist.
Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie. Karl Liebknecht
Karl Liebknecht bekam die Ideologie seiner Zeit und seiner Klasse mit der Muttermilch gefüttert. Als Sohn von Wilhelm Liebknecht, den er vor lauter Gefängnisstrafen kaum zu Gesicht bekam kam es ihm wahrlich nicht schwer gefallen sein, schon aus dem eignen Erleben Gut und Böse einzuteilen und sich entsprechend zu verhalten. Karl Marx und Friedrich Engels als Taufpaten und August Bebels Einfluss, mit dem sich die Familie eine Leipziger Vorstadtvilla teilte, taten ihr übriges. Liebknecht hat zeitlebens am Denken nicht allzuviel gelegen, die wenigen theoretischen Versatzstücke die er hinterließ sind nach einhelliger Meinung der historischen Wissenschaft eher eine Rechtfertigung vor sich selbst als der Versuch eines kohärenten Denksystems marxistischer Prägung. Seine Berufung lag an anderer Stelle beschenkt mit einem instinktiven Misstrauen gegen jedwede Autorität verschrieb er sich bereits in jungen Jahren der Agitation. Ähnlich auf Krawall gebürstet und überspitzt wie seine politische Praxis war seine erste große Veröffentlichung zum Militarismus im Kaiserreich 1907, deren Lektüre nicht zu besonderem Erkenntnisgewinn führt, wohl aber eine hochpolitische und gegen den militaristischen Zeitgeist gerichtete Schrift ist, und wenngleich sie öffentlich viel höhere Wellen schlug als beispielsweise Luxemburgs theoretische Schriften. Dafür bekam er Festungshaft. Liebknechts unbeugsamer Hass auf den militärischen Herdentrieb und die Unsinnigkeit des Krieges war es auch, der ihn dazu bewegte nach Kriegsausbruch zwar nicht bei der ersten, aber dafür bei einer späteren Abstimmung als einziger SPDler gegen die Kriegskredite zu stimmen, die Gruppe Internationale mitzubegründen und Reichsweit gegen den Krieg zu agitieren, wofür er 1916 abermals ins Gefängnis kam. Seine ultimative Agitation war wohl die Ausrufung der Freien Sozialistischen Republik Deutschland nur war diese Rechnung ohne die mehrheitlich sozialdemokratischen und nicht sozialistischen Arbeiter und vor allem die Kollaborationsbereitschaft Rechtssozialdemokratischer Kräfte mit den Bürgerlichen und rechten Militärs gemacht worden.
So unterschiedlich diese beiden Charaktere waren, so unterschiedlich Herkunft, Sozialisation, politischer Movens gewesen sein mögen,
So vereint waren sie in ihrem politischen Kampf für eine andere Welt ohne Ausbeutung, Krieg und Elend.
Ich möchte schließen mit den letzten Zeilen aus Paul Celans Gedicht „du liegst“ das er 1967 nach einem Besuch in Berlin schrieb, bei dem er die Orte besuchte, an denen Karl und Rosa ihre letzten Stunden verbringen mussten, bevor sie ermordet wurden.
„Der Landwehrkanal wird nicht rauschen
Nichts
stockt.“